per gessle hat geschrieben:
Er wurde gefeuert in direktem Bezug auf seinen Beitrag zur Doku.
Lasst die Finger von sowas. Ihr habt keinerlei Einfluß auf das Ergebnis. Nada.
Naja, ein wenig Einfluss hat man schon. Nämlich mit der Auswahl, wen man überhaupt in eine solche Reportage reinschickt.
Bei "Tortour de Berlin" sind schon ein paar ziemlich extreme Charaktere portraitiert worden. Die sich bezogen auf die Außenwirkung ihres Auftrittes wenig Gedanken gemacht haben, oder eben ihre eigene "Message" (unbewußt/intuitiv) höher gewertet haben als die Idee, das Prinzip "Fahrradkurier" positiv zu "vermarkten". Es ist ja schon paradox. Da arbeiten Leute als Fahrradkuriere, schimpfen aber wie die Rohrspatzen über ihren Job - und stellen ihn in einer Weise dar, die letztlich den potenziellen Auftraggebern ein mulmiges Gefühl vermitteln. So richtig wirklich weitsichtig ist das nicht.
Man mag an der Bezahlung, am Verhältnis zwischen Fahrern und Zentrale, an den sonstigen Widrigkeiten des Alltags eine Menge auszusetzen haben. Wenn diese Dinge aber gar zu deftig aufgetischt werden, dann schadet man sich als interviewter Radkurier doch letztlich selbst. Die Zentralen mühen sich, das Kurierwesen als seriöse Dienstleistung zu propagieren. Verläßlichkeit, Vertraulichkeit, Freundlichkeit, Schnelligkeit. Wenn dann Leute ihren Job so schlecht reden, dann wird damit letztlich das Geschäft sabotiert. Vor diesem Hintergrund kann ich schon nachvollziehen, wenn dann mal 'ne Zentrale die Reißleine zieht.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass das Verhältnis Zentrale/Fahrer teilweise schlicht falsch kommuniziert wird/wurde. Insbesondere wenn so Suggestionen in Richtung "Sklaventreiberei" kommen. Meine Erfahrung mit mehreren Berliner Zentralen - und insbesondere auch "General Übernacht" - ist eher, dass man eigentlich ein sehr definiertes Vertragsverhältnis Fahrer-zu-Zentrale hat, welches insbesondere auch die Freiheiten der selbständigen Fahrer respektiert. Auch empfinde ich dieses Verhältnis im Grundsatz als fair. Die Verdienstmöglichkeiten könnten sicher besser sein. Aber wenn nicht genug rumkommt, dann liegt das häufig nicht nur an schlechter Auftragslage oder zu vielen angeschlossenen Fahrern, sondern auch am individuellen Einsatz und Selbstverständnis vom Dasein als selbständiger Kurierfahrer. Und "selbständig" in diesem Zusammenhang heißt eben gelegentlich auch, dass man mal Flexibilität zeigen muss - die ich bei so manchen Kollegen nicht wahrzunehmen glaube. Und wer gar zu häufig wegen diverser Party-Exzesse "arbeitsunfähig" oder leistungsreduziert daherkommt, der geht auch mit weniger Geld nach Hause. Das ist eine direkte Konsequenz des Leistungsprinzips.
In der besagten Reportage wird ein Stimmungsbild vermittelt, welches die real vorhandenen Probleme des Berufes und die subjektiven Fehler bzw. Charakterschwächen einzelner in einen großen Topf wirft. Da ist für einen branchenfremden Zuschauer nicht mehr klar erkennbar, ob alles wirklich so schlimm ist, wie es dargestellt wird. Oder ob sich die portraitierten Kuriere in mancherlei Hinsicht nicht vielleicht mal an die eigene Nase fassen müssen. Wenn sich insbesondere aus letzterem dann ein Imageschaden für die Zentralen dieser Fahrer ergibt, oder ein solcher droht, dann wundern Konsequenzen überhaupt nicht.