"Donnerstag, 29. Dezember 2005

Zwiebel auf Rädern
Mehrere Schichten Kleidung und Reifen mit Spikes - wie Fahrradfahrer Eis und Schnee trotzen

Iris Brennberger

Es hilft schon, ein bisschen Luft aus den Reifen zu lassen. Runter bis auf zwei Bar, dann kommt das Fahrrad nicht so leicht ins Rutschen. Auch Reifen mit Spikes kann Martin Hollmann, Fahrradkurier und einer der Inhaber vom Kurierdienst Spinning Wheelz, dieser Tage sehr empfehlen. Man müsse etwas stärker in die Pedale treten, sagt der 37-Jährige, aber ansonsten sei das Radfahren auch bei Schnee und Eis ein "Heidenspaß".

Er ist nicht der Einzige, der so denkt. Trotz des Wintereinbruchs sind auf den Straßen unzählige Radfahrer unterwegs, viele eingepackt in Schals, Mützen und dicke Klamotten. Die Angst vor Stürzen ist offenbar gering. Der tödliche Unfall am Montag, bei dem ein Radfahrer in Prenzlauer Berg weggerutscht und gestürzt war, hat daran wenig geändert.

Das Problem bei diesem Unfall sei gewesen, dass der Mann auf dem glatten Gehweg fuhr, sagt Benno Koch vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). Er rät allen Radfahrern dringend, auf den Straßen zu bleiben. Das gelte immer, aber im Winter ganz besonders. Denn bei Schneefall werden die Haupt- und Nebenstraßen von der BSR als Erstes geräumt. Sie seien in der Regel gut befahrbar. Für die Gehwege sind dagegen die Hausbesitzer zuständig, da könne man schon mal auf eine Buckeleispiste geraten. Bei extremer Glätte rät Koch Radfahrern, auf die BVG umzusteigen. Normales Winterwetter sei aber kein Grund, das Rad stehen zu lassen. Im Gegenteil, Radfahren sei gesund. Man sei schneller als die Autos und "man friert nicht, weil man sich ja bewegt".

Keine Probleme mit dem Wetter haben auch die Post und die Pin AG, deren Zusteller weiterhin mit dem Fahrrad unterwegs sind. Beide Unternehmen haben ihre Mitarbeiter mit Mützen und Schals ausstaffiert. Unfälle wegen der Witterung wurden nicht registriert. "Unsere Austräger sind es gewohnt, bei Wind und Wetter rauszugehen", sagt Sylvia Blesing von der Post. Das Unternehmen stelle allen Austrägern frei, bei Schnee vom Rad zum Handkarren zu wechseln. Bisher mache aber kaum jemand davon Gebrauch. Bei der Pin AG wurden die Mitarbeiter laut Marketingleiter Erik Natter ausdrücklich "dazu angehalten, vorsichtig zu fahren". Wobei die Zusteller ohnehin kurze Strecken zurücklegten. Meistens würden die Lastenräder von einer Adresse zur nächsten geschoben.

Anders ist dies bei den Kurieren. Martin Hollmann kommt auf seinen Fahrten kreuz und quer durch die Stadt. Bis zu zehn Stunden dauert eine Schicht. Der 37-Jährige kleidet sich dafür nach dem Prinzip der Zwiebel: Viele Schichten wärmen besser als eine. Unter anderem trägt er bei seinen Fahrten drei dünne Hosen, zwei Trikots und zwei Jacken. Den Helm hat er weiter gestellt, damit noch eine Mütze drunter passt.

Für Hollmann ist es mittlerweile der zwölfte Winter als Kurier. Er sei nicht öfter krank als andere Leute, eher im Gegenteil, sagt er. Bei welchem Wetter lässt auch er das Rad stehen? Bei Blitzeis. "Wenn man nicht mal mehr zu Fuß auf dem Bürgersteig gehen kann, dann können wir auch nicht mehr fahren."