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Kann man speziell in München und allgemein von Kurierfahren leben?
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Seite 1 von 1

Autor:  radlada [ Mo 14. Jul 2008, 12:40 ]
Betreff des Beitrags:  Kann man speziell in München und allgemein von Kurierfahren leben?

Hi zusammen,

nach 15 Jahren in Berlin, zuletzt in der IT, danach ne Weile ALG, zieht es mich jetzt für eine unbestimmte Zeit zurück in die Heimat Südbayern.
Da man ja so hört, daß München die Jahre hindurch nicht unbedingt billiger geworden ist, was Lebenshaltungskosten angeht, stellt sich für mich

1) die Frage, ob man von Kurierfahren in München (über-)leben kann.
Dass man nicht reich davon wird, ist klar, aber ob es für ne kleine Wohnung (von mir aus auch im Hasenbergl/Neuperlach oder so) und gelegentliche Abstecher in die Berge (zum Paragliding/Wandern) oder so reicht?
Muss dazu sagen, ich habe in Berlin sparsam zu leben gelernt, bin eher spartanischen Lifestyle gewohnt, cruisen oder posen auf der Leopold etc also unwichtig. :roll
Hatte auch mal einen Bericht von einem Schwabinger Rikschafahrer gesehen, der immer nur kurzzeitig zur Zwischenmiete gewohnt hat. Sowas wär ja auch OK.
Wie schlagt ihr euch so durch?

2) Mich würde interessieren, gelegentlich auch Auto- oder LKW-Kurier zu fahren, CE-Lappen vorhanden. Gibt es Betriebe, wo man auch mal abwechselnd dies und das fahren kann?

3) Die Frage haben schon einige Einsteiger hier gestellt, nämlich nach dem Alter. Ich bin z.Z. 38, jedoch passionierter Langstreckenläufer (60km/Woche) und behaupte Mal, konditionsmässig sehr gut in Form zu sein. Klar, daß man nicht mehr mit den 20-jährigen Heizern mithalten kann, aber mit gewissem Ehrgeiz müsste man doch die Anforderungen an Kurierfahren noch erfüllen können, oder? Könnte mich mal einer von den älteren Semestern in dieser Meinung bestätigen? :oops:

Mal ganz ehrlich, ich fühle mich gelegentlich wie ein Aussteiger: habe meinen langjährigen Sysadmin-Job geschmissen, weil ich es nicht mehr ertragen habe, jeden Tag stundenlang nur in den Bildschirm zu kucken und meine 4 Buchstaben breitzusitzen sowie ständig vom BWL-Krawatten-Powerpoint-Chef gegängelt und überwacht zu werden.
Bereut habe ich die Entscheidung bis jetzt keine Minute, im Gegenteil, ich hatte die letzte Zeit endlich viel mehr Zeit, Sport zu treiben.
Aber klar, von irgendwas muss man sich ernähren, deshalb meine langgehegte Idee, Sportenthusiasmus mit Unter-freiem-Himmel arbeiten zu verbinden. Und das ganze gerne selbständig.

Ehrlich, festangestellt zu sein, so mit Vollkasko-Betriebsrat-geregelte-Arbeitszeit pipapo ist auch nicht immer das Gelbe vom Ei, wenn man z.B. nur ins Büro kommt, um die Anwesenheitspflicht zu erfüllen, aber sich sonst den ganzen Tag langweilt oder gefrustet ist... :?

Bin ich da so allgemein auf dem Holzweg und sollte eher ein Motivations-Seminar und nen Psychologen aufsuchen, die mich wieder in die IT zurückschicken, oder gibt es Leute, die so einen ähnlichen Berufsweg gegangen sind, und meine Beweggründe etwas nachvollziehen können?

Ick meine, man muss ja auch nicht ewig und ausschliesslich bis zum körperlichen Zerfall Kurierfahrer sein-aber in der Arbeit verbringt man ja schliesslich mehr Zeit, als mit Freunden oder Partnerin, da sollte so eine Art Spass an der Arbeit irgendwie vorhanden sein...
Achja, habe letztens ne Umfrage gelesen, in der festgestellt wurde, daß 80% aller Arbeitnehmer mit ihrer Jobsituation unzufrieden sind.
Vermutlich waren da keine Fahrradkurier dabei, oder? :-)

Autor:  dan [ Do 17. Jul 2008, 23:00 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Kann man speziell in München und allgemein von Kurierfahren leben?

radlada hat geschrieben:
3) Die Frage haben schon einige Einsteiger hier gestellt, nämlich nach dem Alter. Ich bin z.Z. 38, jedoch passionierter Langstreckenläufer (60km/Woche) und behaupte Mal, konditionsmässig sehr gut in Form zu sein. Klar, daß man nicht mehr mit den 20-jährigen Heizern mithalten kann, aber mit gewissem Ehrgeiz müsste man doch die Anforderungen an Kurierfahren noch erfüllen können, oder? Könnte mich mal einer von den älteren Semestern in dieser Meinung bestätigen? :oops:


Mit steigendem Alter sinkt die Spitzengeschwindigkeit, die Ausdauer wird aber eher besser. Dann gibt es noch den Aspekt "Lebenserfahrung", so blöd es auch klingen mag.

Im Alltag auf der Straße wirst Du mit gewisser Ausdauer sicher klarkommen. Dauert ein paar Wochen bis sich der Körper drauf eingestellt hat regelmäßig gefordert zu werden, Du bekommst dann von Deiner "Hardware" quasi das Dauerleistungsniveau vorgegeben. Man lernt recht schnell was dauerhaft geht. Und das ist genügend schnell um manchen motivierten aber nicht langfristig trainierten Jungspund auch mal so richtig stehen lassen zu können. Dumme Blicke werden Dir sicher sein. :)

Wenn Du ein Mensch bist der zu Mangelerscheinungen (Mineralien) neigt kann es sein dass Du nach 4-6 Wochen irgendwann "was merkst". Gern werden im Körper Magnesium und Kalium knapp, d. h. mehr Bananen futtern oder supplementieren.

Aber sonst? Achte halt nur drauf am Anfang nicht zu schnell zu fahren. gerade wenn Du Deine Ausdauer bisher wohl nicht aufm Rad erworben hast. Da kann man sich nämlcih so richtig schön zu Grunde richten wenn dann plötzlich andere Muskulatur beansprucht und mit der gut vorhandenen Ausdauer und der Gewöhnung an Laktatschmerz gequält wird.

Fang' vorher mal ein wenig mehr an Rad zu fahren und das nicht im "Kurierstil" sondern klassischer Radsport. Also Grundausdauer und vor allem wohl auch Krafteinheiten für die radspezifische Muskulatur. Und Pausen zwischendurch damit der Körper auch Muskulatur aufbauen kann.

Oder Du tust eben vorher nichts, läßt es auf Dich zukommen und fängst eben gemütlich an. Was dann vielleicht etwas weniger Geld in die Kasse spült aber das dürfte sich auch recht schnell gegeben haben.

Dann noch was: Wenn Du dann merkst wie Du allmählich schneller wirst fange nicht an zu riskant zu fahren weil Du glaubst dass Du das jetzt könntest weil Du ja viel schneller geworden bist. Nicht jede Kreuzung läßt sich auch bei höheren Geschwindigkeiten überspringen. Und durch Bremsfaulheit aus Angst um den Tachoschnitt auf das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu vertrauen ist ein schlechtes Rezept um lange auf der Straße zu überleben. Wenn es Unfälle gibt kosten mindestens in dem Moment mal Zeit, eventuell auch längeren Verdienstausfall und es kann eben auch ganz vorbei sein.

radlada hat geschrieben:
Bin ich da so allgemein auf dem Holzweg und sollte eher ein Motivations-Seminar und nen Psychologen aufsuchen, die mich wieder in die IT zurückschicken, oder gibt es Leute, die so einen ähnlichen Berufsweg gegangen sind, und meine Beweggründe etwas nachvollziehen können?


Irgendwie finde ich das sehr nachvollziehbar. Ich bin eigentlich auch EDVler, ähnlich mittelalt wie Du und habe in letzter Zeit viel an verschiedenen Orten innerhalb einer Stadt zu tun gehabt inklusive "kurierähnlicher Tätigkeit". Eine sehr nette Kombination aus Fachtätigkeit und Radfahren und in stinkenden Radpludden in irgendwelchen Rechenzentren aufzuschlagen und da irgendwas aus Schränken zu rupfen und in der Tasche zu versenken hat auch eine Art von Stil... :)

Dummerweise eine befristete Geschichte, weil das Umstellungsprojekt um das es da geht nunmal halt quasi abgeschlossen ist. Aber satt Kilometer hat's erstmal gebracht.

Was dann kommt? Keine Ahnung. Wohl erstmal etwas (Rad-)Urlaub :)

Autor:  radlada [ Sa 19. Jul 2008, 13:09 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Kann man speziell in München und allgemein von Kurierfahren leben?

dan hat geschrieben:
Irgendwie finde ich das sehr nachvollziehbar. Ich bin eigentlich auch EDVler, ähnlich mittelalt wie Du und habe in letzter Zeit viel an verschiedenen Orten innerhalb einer Stadt zu tun gehabt inklusive "kurierähnlicher Tätigkeit". Eine sehr nette Kombination aus Fachtätigkeit und Radfahren und in stinkenden Radpludden in irgendwelchen Rechenzentren aufzuschlagen und da irgendwas aus Schränken zu rupfen und in der Tasche zu versenken hat auch eine Art von Stil... :)


Auf jeden Fall. Lass noch die Ölpreise weiter steigen, dann kommen die Systemhäuser alle mit'm Radl und Anhänger vorbei. :-D
Mal sehen, ob ich sowas in der Art in MUC auch organisieren könnte. Vielleicht so 50% EDV-Service 50% Radln oder so in Zukunft.

Muss aber erstmal weg vom ALG und umziehen.
Hat eigentlich einer noch eine Kopie vom Businessplan von UV-B von 2007 für mich? UV-B ist nicht zu erreichen.

Übrigens:
Sehr beeindruckend finde ich ja ein Video von den Stuttgarter "die Radler" (der dortigen einzigen Kurierfirma), in der ein 50-jähriger seit 12 Jahren täglich die dortige im Vergleich zu den meisten deutschen Städten schwere Topographie bewältigt...
http://die-radler.de/bilder_filme/Radle ... _2007.html
Der ist wahrscheinlich fitter als so mancher junger Durchschnittsmensch.
Er meinte er mache den Job, "weil er keinen Chef braucht".
So ähnlich seh ich das auch, wobei ich ehrlicherweise bis jetzt vielleicht auch einfach nur Pech mit Vorgesetzten hatte.
Aber bekanntermaßen sind alle Verrückten der Republik in Berlin versammelt. Sozusagen Haar im großen Maßstab. Arbeitsplatz inbegriffen. Oder es gilt nach 15 Jahren Berlin für mich mittlerweile, "was, ein Geisterfahrer? Hunderte!!!" :-D

Es zeigt sich auf jeden Fall mal wieder "Life is what you make of it". Also, Zeit was zu maken. :smt026

Autor:  dan [ Do 31. Jul 2008, 23:37 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Kann man speziell in München und allgemein von Kurierfahren leben?

radlada hat geschrieben:
Auf jeden Fall. Lass noch die Ölpreise weiter steigen, dann kommen die Systemhäuser alle mit'm Radl und Anhänger vorbei. :-D


Sehr unwahrscheinlich. Wenn Auto fahren teurer wird fallen gewisse Freizetifahrten einfach weg, das macht schon mal einen Batzen aus. Den meisten Firmen tut es nicht sonderlich weh ob der Sprint nun ein paar Cent teurer ist oder nicht.

Der Geschwindigkeitsvorteil des Fahrradkuriers in der Großstadt wird übrigens kleiner wenn weniger Autos auf den Straßen herumfahren...

radlada hat geschrieben:
Übrigens:
Sehr beeindruckend finde ich ja ein Video von den Stuttgarter "die Radler" (der dortigen einzigen Kurierfirma), in der ein 50-jähriger
[...]
Der ist wahrscheinlich fitter als so mancher junger Durchschnittsmensch.


Es gibt über 70jährige mit denen die meisten jungen Menschen nicht auf dem Rad mithalten können.

radlada hat geschrieben:
Er meinte er mache den Job, "weil er keinen Chef braucht".
So ähnlich seh ich das auch


Und passe dabei immer gut auf dass Du Dich nicht selbst belügst. Der formaljuristische Begriff der "Selbständigkeit" hat je nach Tätigkeit nur sehr bedingt mit dem dahinter stehenden Grundgedanken zu tun. Oder ganz platt gesagt: ein Radkurier der genau bei einer Zentrale in einem definierten Schichtenplan seine Fahraufträge entgegennimmt ist faktisch nicht wirklich "selbständig".

Wirklich selbständig zu sein bedeutet selbst und ständig neue Gelegenheiten aufzutun, von anderen Leuten Geld für irgendwelche Leistungen zu bekommen. Auch für mehrere Kunden "gleichzeitig" zu arbeiten. Manchmal 80-Stunden-Wochen zu haben und manchmal Däumchen zu drehen. Wie halt gerade zu tun ist. Und natürlich beim Däumchen drehen ständig Ideen zu produzieren wie man diesen Zustand möglichst schnell und lukrativ beendet.

Autor:  Markus [ Do 25. Sep 2008, 13:07 ]
Betreff des Beitrags: 

hi,

ich kann dich gut verstehen man, ich wuerde es machen. du investierst ein wenig in die ausruestung, gerade jetzt wo es kaelter wird.

Autor:  radlada [ Fr 26. Sep 2008, 12:11 ]
Betreff des Beitrags: 

Hi again,
tja momentan trainier ich grade die Radform (GA1 und GA2) auf, um die zu erwartenden ca.100KM/Tag dann problemlos mit annehmbaren Schnitt zu packen. Auch bei Sauwetter und Kälte/Nacht zum dran gewöhnen, logisch.

Ansonsten zwingt mich meine Geldknappheit und die Anfangsinvestitionen bei Inline oder KurierAg sowie Winter/Kälteausrüstung (Gore, Sigma-Licht weil ich nur ne Conrad-Funzel mit 0,5 Meter Ausleuchtung hab) und Wohnungskosten (2-3 Monate Miete sowie Kaution und Lebenshaltungskosten vorfinanzieren, bis die ersten Einnahmen anrollen) dazu, mich zuerstmal als Paketfahrer oder sowas zu betätigen, weil ich sonst alles über Schulden finanzieren müsste.

Und die konsultierte Arbeitsagentur zahlt lieber jeden Monat die Stütze, als jemanden zu helfen, wieder in Arbeit zu kommen-ist ja keine "sozialversicherungspflichtige Beschäftigung". Ansonsten gäbs jede Menge Kohle. Vermittlungsgutscheine, Lohnkostenzuschüsse, Einarbeitungsgeld blablabla...Den Umzug würden sie mir nach "Rücksprache mit Vorgesetzten" jedoch eventuell bezahlen können. LOL, ja, das reisst's bei den Investitionen dann raus...
Shice´, manchmal ganz schön krude, sich zu motivieren. :roll: Naja hat wer gesagt, daß das Leben ein Wunschkonzert ist.

Aber immerhin hol ich auf, was Radtechnik angeht-hab diese Woche endlich das Knackgeräusch vom Innenlager geortet und besiegt. 8)

Autor:  Texas [ Fr 26. Sep 2008, 14:08 ]
Betreff des Beitrags:  kann

und als start-up , d.h. selbstständiger ? gibt´s da geld ? oder zu kompliziert ?

Autor:  radlada [ Fr 26. Sep 2008, 19:07 ]
Betreff des Beitrags: 

Es gibt Einstiegsgeld (ca. 50% vom ALG II-Regelsatz), also etwa 170 EUR.
Voraussetzung Businessplan und ein Sachbearbeiter, der mitspielt, weil es nur eine "Kann-Leistung" ist. Hilft aber nur marginal bei der Vorfinanzierung von Lebenshaltungskosten.
(350 Miete+600 Provision Kurierdienst+KV 175) x 2 (wegen 2 Monaten Vorlauf, bis die Einnahmen regelmäßig eintrudeln) + 1 MM Kaution Wohnung
=2600 EUR, die man schon so mindestens auf der hohen Kante haben sollte. Muss dann aber auch wohnungswechselmäßig komplett ohne zeitweilige Doppelmiete passen, sonst kommen nochmal 300 drauf. Einlagegebührabzahlung beim KurierVerein (ca. 100/Monat) lass ich mal aussen vor, das käm eigentlich noch einige Monate obendrauf.

Da ist Einstigsgeld nicht so wirklich das Entscheidende. Und daß ich für 350 in M wohl niemals 2Zi, 40qm gute Lage kriege, wie hier in B für 300warm, sondern höchstens 1-Zi oder WG-Zimmer, dagegengestellt sind meiner Modellrechnung nach (mit Berechnungsgrundlage 600 Provision+Rabattumlage 50) Einnahmen von 100 EUR/Tag, was nach Steuern/KV/sonstigen Nebenkosten etwa 1000 EUR/Monat ergibt, lässt die Motivation schon leicht schwinden.
1000 EUR netto hatt ich schonmal: vor 20 Jahren bei Metro Industriepark als Aushilfe in der Lampenabteilung...aber da hab ich noch die "Füße unter den Tisch gestellt". :lol:

Ja, ich weiß, Kurierfahren macht nicht reich, aber schön. Mich würde es zusätzlich wohl erstmal arm machen...
So bei 160/Tag, quasi etwa 1500 € nach allen Abzügen könnte man schon eher drüber reden.

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