@SXHC:
Die Bilder aus den Kontrollräumen - auch die jetzt veröffentlichten früheren Aufnahmen aus der Zeit, wo da noch "heile Welt" waren - sehen so richtig herzallerliebst mittelalterlich aus. Als nach 9/11 die große Wirtschaftskrise losging und etliche Firmen in die Pleite gingen, hab' ich mal in bei einem Ex-Kunden in der stillgelegten Firma 'ne schöne Fotoserie gemacht. Das Inventar, größtenteils aus der Zeit des "frühen Wirtschaftswunders" der BRD, sah ähnlich rustikal aus.
@mistfink und Nathanael:
Bzgl. der Menge an Schrott, die hier über die Luft ankommen kann, lassen sich z. Zt. kaum sinnvolle Prognosen anstellen. Klar ist, dass bereits einige hundert Kilometer von Japan entfernt ein Verdünnungsgrad von 1:1000 oder niedriger erreicht ist. Da es im Gegensatz zur Gegend um den Äquator herum keine Windströmungen gibt, wo "die selbe Luft" über tausende von Kilometern zu uns rübertransportiert wird, kann man davon ausgehen, dass der Verdünnungsgrad in Europa nochmal einige Zehnerpotenzen höher liegt. Das ist mal die beruhigende Seite für uns hier, und im Gegensatz zu dem wird-schon-gutgehen-Hokuspokus der Atomindustrie wissen die Meteorologen eigentlich recht gut bescheid über die atmosphärischen Verhältnisse.
Blöderweise hat ja immer noch keiner 'ne Idee, wie viel da nun eigentlich in die Luft geblasen wurde. Und auch wenn das, was da vor Ort in die Luft gepustet wird, bei uns millionenfach verdünnt ankommt, kann selbst das als Dauer(!)belastung immer noch "viel" sein. Es geht ja nicht nur darum, dass wir so 'nen Bruchteil von dem Krempel als einmaligen Fallout bekommen würden. Das Zeugs verteilt sich gemütlich über der Nordhalbkugel, die primär relevanten, weil luftgängigen strahlenden Isotope bereiten uns mit Halbwertzeiten um die 30 Jahre für den Rest des Lebens noch Freude.
Was mich derzeit etwas beunruhigt ist die Tatsache, dass man in Japan offenbar noch keine plausible Erklärung für die deutlich erhöhte Strahlung gerade im Randbereich der Evakuierungszone hat - und auch nicht für die Einträge in Tokios Trinkwasser. Wenn die jetzt 'ne klare Ansage machen könnten a la "das Zeugs ist jetzt hier, weil das und das passiert ist und an dem Tag diese Wolke da abgeregnet hat" oder so, dann könnte man das hinnehmen und seine Konsequenzen daraus ziehen. Vor Ort wie auch überregional. Tatsächlich schauen aber Tepco und japanische Atombehörden offenbar vornehmlich auf den Zustand vor Ort in Fukushima, messen dort fleißig, bekommen zwar kritische, aber nicht mörderhohe Werte, und wiegen sich in Sicherheit. Während derzeit ja paradoxerweise die gemessene Ortsdosisleistung in einer Zone zwischen 30 und 100 km von Fukushima entfernt teilweise offenbar bis zu 100mal so hoch ist als in unmittelbarer Nähe des havarierten Kraftwerks.
Verstörend daran ist auch, dass diese radioaktive Last in Gebieten auftaucht, die eigentlich nach der Wetterlage zumindest an der Oberfläche nichts abgekriegt haben sollten. Japan hatte ja meteorologisch gesehen noch viel Glück, dass die Tage nach der Reaktorkatastrophe meist Winde aus grob westlicher Richtung herrschten. Also alles, was so in die Atmosphäre rausgeblasen wurde, zumindest mit hohem Anteil direkt übers Meer gepustet wurde und eben nicht Richtung Binnenland. Wie also bitteschön kommt es im Binnenland zu signifikanten Ortsdosisleistungen, noch dazu etliche Kilometer vom Kraftwerk entfernt deutlich ansteigend?
Die Tatsache, dass diese erhöhte Strahlung im Binnenland erst gut eine Woche nach der Havarie gemessen wurde (und ja, es wurde vorher auch schon gemessen), deutet sehr stark darauf hin, dsss in mindestens einem der Reaktorblöcke die allseits berfürchtete Kernschmelze schon viel schneller und viel profunder stattgefunden hat, als die ganzen Beschwichtigungs-Experten uns glauben machen wollen. Die Brühe also schon vor etlichen Tagen auf Grundwasserniveau angekommen ist, unterirdisch ihren Weg unter der Insel entlang genommen hat.
Wenn man sich nur flüchtig die geologischen Bedingungen des Nordostteils von Honshu anschaut (z. B.
www.glgarcs.net), dann sieht man, dass die Insel geologisch ein Flickenteppich ist. Die AKWs in Fukushima mögen zwar oberflächlich auf solidem Gestein gebaut sein, unter der Insel sieht's aber bunt gemischt bröselig aus. Insbesondere erweckt die dieser geologische Flickenteppich den Eindruck, dass unter der Insel ein sehr schneller Austausch von Grundwassermassen möglich ist, bzw. "das Grundwasser" in Japan ein recht zusammenhängendes System bildet, mit nur wenig natürlichen Barrieren unterwegs.
Es mag nun jeder selbst seine Schlüsse daraus ziehen.